Die Liquoruntersuchung für die Diagnose von Multipler Sklerose (MS) [1]
Analyse des Nervenwassers auf Zeichen einer Entzündung
Der Begriff "Liquor" bezieht sich auf die Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit, die umgangssprachlich oft als Nervenwasser bezeichnet wird. Die Liquoruntersuchung auf MS ist eine laborbasierte Analyse dieser Flüssigkeit, die durch eine Lumbalpunktion, also das Einführen einer Nadel in den unteren Bereich der Wirbelsäule, entnommen wird. Die Punktionsnadel ist speziell dafür ausgelegt, eine kleine Menge Liquor aufzunehmen und in ein steriles Auffangröhrchen abzugeben. Die Ergebnisse einer Liquoruntersuchung allein reichen nicht aus, um eine MS zu diagnostizieren, aber die Analyse des Nervenwassers liefert wichtige Informationen über Entzündungszeichen und andere immunologische Vorgänge, die mit MS in Verbindung stehen und die bestehenden Verdachtsmomente auf MS bestätigen können.1
Liquoruntersuchung bei Multipler Sklerose (MS): Was eine laborbasierte Analyse des Nervenwassers über MS aussagt
Die Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit erfüllt verschiedene Aufgaben, um das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) zu schützen und zu unterstützen. Dazu gehören unter anderem eine Pufferfunktion sowie die Versorgung des zentralen Nervensystems mit Nährstoffen und der Abbau von Stoffwechselprodukten.2
Im Nervenwasser können auch Aktivitäten des Immunsystems nachgewiesen werden. Bei vielen Patienten mit MS finden sich im Vergleich zu Nicht-Erkrankten bestimmte Antikörper (Immunglobuline) im Nervenwasser, die auf Entzündungsreaktionen im zentralen Nervensystem hinweisen.1
Allerdings können Entzündungsreaktionen im zentralen Nervensystem nicht nur durch MS verursacht werden, daher ist der Nachweis von Antikörpern allein kein Beweis für eine MS. Die labordiagnostische Untersuchung muss immer in Verbindung mit anderen diagnostischen Maßnahmen beurteilt werden.3
Labordiagnostik bei Multipler Sklerose: Oligoklonale Banden als entscheidende Indikatoren
Der Begriff "oligoklonale Banden" bezieht sich auf ein spezielles Verteilungsmuster von Antikörpern, das mithilfe eines elektrischen Feldes im Labor (isoelektrische Fokussierung) dargestellt werden kann. Bei chronischen Entzündungen wie MS kommt es in der Regel zu einer vermehrten Anzahl von Immunglobulinen, die sich in der Labordiagnostik als oligoklonale Banden zeigen.2 Der Vergleich dieses Verteilungsmusters im Nervenwasser mit dem Muster im Blut kann zeigen, ob die Entzündung tatsächlich im zentralen Nervensystem ihren Ursprung hat oder von einer anderen Stelle im Körper kommt. Wenn die Entzündung im zentralen Nervensystem liegt, kann dies ein Hinweis auf MS sein oder auf eine andere entzündliche Ursache im zentralen Nervensystem, wie zum Beispiel auf eine Virusinfektion. Umgekehrt lassen sich bei etwa 90 % der Patient:innen mit MS oligoklonale Banden nachweisen.1
Oligoklonale Banden sind laut den aktuellen Diagnosekriterien (McDonald-Kriterien) der Labordiagnostik der wichtigste Indikator für eine mögliche MS. Es gibt jedoch auch weitere Indikatoren wie den Nachweis einer MRZ-Antikörperreaktion: Bei bis zu 78 % der Personen mit MS kann eine Reaktion auf Masern-, Röteln- und/oder Varizella-Zoster-Antikörper nachgewiesen werden.1
Die weiterführenden Informationen beinhalten Inhalte, die dem Arzneimittelgesetz (AMG) unterliegen.Dies macht eine Anmeldung für Ausübende von Gesundheitsberufen notwendig.
Referenzen
- Tumani H., Petereit H.-F. et al. Lumbalpunktion und Liquordiagnostik, S1-Leitlinie, 2019, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Deutsche Gesellschaft für Liquordiagnostik und Klinische Neurochemie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie.
- Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs. Oligoklonale Banden im Liquor (OLBIL). https://www.gesundheit.gv.at/labor/laborwerte/neurologie-liquor/oligoklo... [3], zuletzt aufgerufen am 22.07.2024.
- Baumhackl U, Berger Th, Enzinger Ch: ÖMSB. Österreichische Multiple Sklerose Bibliothek: Evidenzbasierte Informationen zu allen Aspekten der MS für Betroffene sowie Ärzte und Ärztinnen und Angehörige medizinischer Gesundheitsberufe. 4. Auflage. Facultas Verlags- und Buchhandels AG; 2020, https://www.oegn.at/wp-content/uploads/2020/05/OEMSB_2020.pdf [4], zuletzt abgerufen am 22.07.2024.